Deutschland war Gastgeber des 8. Weltkongresses gegen die Todesstrafe, der in Berlin stattfand

In Berlin ging am Freitagmittag der 8. Weltkongress gegen die Todesstrafe zu Ende. Über 1000 Teilnehmer aus 90 Ländern waren erwartet worden, um vier Tage lang in zahlreichen Debatten mit über 100 Rednern die weltweite Situation der Todesstrafe und Möglichkeiten der Abschaffung zu reflektieren.

Politische Repräsentanten, Regierungsvertreter, Diplomaten und Delegierte unterschiedlichster Nationen waren ebenso anwesend wie Akademiker, Juristen, Anti-Todesstrafe-Aktivisten von zahlreichen Menschenrechtsorganisationen, ehemalige Todestraktinsassen, Angehörige von Tätern und Opfern usw. Wer nicht persönlich in Berlin sein konnte, hatte die Möglichkeit, viele der Veranstaltungen in einer Kongress-App per Livestream zu verfolgen.

Ergänzend gab es ein kulturelles Programm, u.a. mit zwei Ausstellungen in den Berliner Universitäten. Ausgerichtet wurde der Kongress wie in den Jahren zuvor von der französischen Gruppe Ensemble Contre la Peine de Mort (ECPM), in Zusammenarbeit mit der World Coalition Against the Death Penalty (WCADP). Letztere ist eine Dachorganisation, die über 160 Anti-Todesstrafe-Gruppen weltweit vernetzt und nach dem ersten Weltkongress vor 20 Jahren ins Leben gerufen wurde.

Auf der politischen Ebene

Vor allem die Eröffnungs- sowie die Abschlussveranstaltung waren gekennzeichnet durch die Teilnahme hochrangiger Vertreter der internationalen politischen Bühnen, die sich für die Abschaffung der Todesstrafe aussprachen. Obwohl diese ultimative Strafform mit Ausnahme von Weißrussland in Europa komplett abgeschafft ist, waren Vertreter von u.a. Gastgeberland Deutschland, von Belgien, Frankreich und der Schweiz anwesend, um den weltweiten Kampf gegen die Todesstrafe zu unterstützen.

Bundesjustizminister Marco Buschmann und Außenministerin Annalena Baerbock positionierten sich als Vertreter Deutschlands klar und deutlich gegen die Todesstrafe in ihren Reden bei der Eröffnungsveranstaltung, verließen gleich im Anschluss allerdings wieder die Bühne des Weltkongresses – noch eine Weile zu bleiben und den politischen Vertretern aus der Demokratischen Republik Kongo, Liberia, Sierra Leone, Sambia, Tadschikistan und Malawi zuzuhören, hätte ein überzeugenderes Bild abgegeben.

Aufklärung und Bildung

Der Kongress in Berlin setzte bewusst einen besonderen Schwerpunkt auf junge Menschen als die nächste Generation in der weltweiten Bewegung der Abschaffung  der Todesstrafe und damit gleichzeitig auf Möglichkeiten von Aufklärung und Bildung.

Die deutsche Organisation Initiative gegen die Todesstrafe e.V. setzte dieses Ziel zeitgleich zum Kongress in die Praxis um und besuchte fünf Berliner Schulen mit einem Theaterstück, das zum Nachdenken über die Todesstrafe anregte und etwa 300 Schülerinnen und Schüler erreichte.

In der Abschlussveranstaltung des Kongresses wurden Personen oder Organisationen, die sich um die Abschaffung der Todesstrafe in besonderer Weise verdient gemacht haben, mit Preisen geehrt.

Aber auch der mittlerweile Verstorbenen innerhalb des Abolition-Movements wurde gedacht, darunter Karl Rodenberg, Gründungsmitglied der Initiative gegen die Todesstrafe e.V. vor 25 Jahren. Viele haben ihre Spuren hinterlassen und sind unvergessen und haben ihren Teil dazu beigetragen, dass die Todesstrafe über die letzten Jahrzehnte weltweit immer mehr auf dem Rückzug ist.

Kritische Anmerkungen

Ein kritischer Gedanke mit Blick auf Deutschland sei noch angemerkt: Während die Bundesrepublik weitgehend durch Abwesenheit glänzte auf dem jeweiligen Podium der vergangenen Weltkongresse, ist es natürlich erfreulich, dass man diesmal Gastgeber war und das Anliegen mittrug.

Dennoch erfolgte die Unterstützung nicht konsequent – so erhielt ein Menschenrechtsanwalt aus Pakistan von der deutschen Botschaft in Islamabad kein Einreise-Visum für den Kongress, obwohl er als möglicher Preisträger nominiert war und eine offizielle Einladung erhalten und alle Unterlagen rechtzeitig vorgelegt hatte. Weder das Auswärtige Amt noch das Büro von Außenministerin Annalena Baerbock hielten es für nötig, auf entsprechende Nachfragen durch die Initiative gegen die Todesstrafe e.V. zu reagieren.

Man darf sich fragen, wie es zusammenpasst, wenn hochrangige deutsche Politiker den Weltkongress einerseits unterstützen und als Bühne nutzen und andererseits einem renommierten Rechtsanwalt, der sich in Pakistan unter Lebensgefahr für aufgrund der Blasphemie-Gesetze von der Todesstrafe bedrohte Mandanten einsetzt, trotz Nominierung und Einladung und der Tatsache, dass er den vorherigen Kongress 2019 in Brüssel besuchen durfte, die Einreise nach Berlin verweigert.

Gabi Uhl – Initiative gegen die Todesstrafe e.V.

Video der Initiative gegen die Todesstrafe e.V. über den Weltkongress in Berlin – hier klicken!