11.10.2007 | Das Mittelalter in den Köpfen
Der Europäische Tag gegen die Todesstrafe ist am Veto Polens gescheitert. 70 Prozent der Polen befürworten sie. Doch auch bei uns ist die Forderung 'Rübe ab!' längst keine Randerscheinung. (..)
Und wie sieht es in Deutschland aus? Auch hierzulande gibt es schließlich Parteien, die die Wiedereinführung der Todesstrafe fordern: Die NPD, die in Mecklenburg-Vorpommern und Sachsen in den Landtagen sitzt und die DVU, im Brandenburger Parlament ebenfalls in Fraktionsstärke vertreten.In keiner soziologischen Studie wird die Haltung deutscher Jugendlicher zur Todesstrafe erfasst. In der größten Untersuchung über die Orientierungen und Werte von jungen Menschen, der Shell-Jugendstudie, gibt es keine entsprechende Frage. Auch eine Recherche des Deutschen Instituts für Menschenrechte brachte keine Ergebnisse.
Lediglich das Allensbach-Institut befragt die Deutschen seit 1950 nach ihrer Einstellung zur Todesstrafe (PDF-Dokument). Demnach ist die Zustimmung in den Jahren bis 1973 stetig gesunken, doch schon im 'Terrorjahr' 1977 waren die Befürworter wieder in der Mehrheit. Im Jahr 2000 war dieser Wert wieder auf 23 Prozent gesunken. Das Problem ist nur: Das gilt nur in Westdeutschland.
Im Osten waren die Meinungen im Jahr 2000 ausgeglichen – 39 Prozent wollten die Todesstrafe, 37 Prozent waren dagegen. Und noch vor knapp zehn Jahren, 1996, wollten 45 Prozent der Ostdeutschen die Todesstrafe wieder einführen. Das sind fast polnische Verhältnisse.
Das gute alte 'Kopf ab!' ist also auch bei uns nicht aus der Mode gekommen. Im April dieses Jahres fragten die Schüler einer norddeutschen Schule ihre Altersgenossen zu diesem Thema: 85 Prozent würden demnach die Einführung der Todesstrafe in Deutschland begrüßen.Der Tübinger Jura-Professor Jörg Kinzig befragte in den vergangenen zwei Semestern Studenten seiner Fakultät über ihre kriminalpolitischen Vorstellungen. Fast ein Viertel sprach sich dafür aus, die Todesstrafe für ausgewählte Delikte wieder einzuführen (Männer: 16, Frauen 22 Prozent).'Auch wenn sich damit unter den Tübinger Jurastudierenden mehr entschiedene Gegner einer solchen Sanktion als in der Allgemeinbevölkerung finden dürften, schmerzt es mich persönlich, dass trotz begonnener oder gar fortgeschrittener juristischer Ausbildung noch ein Fünftel bis ein Viertel diese Sanktion für diskutabel hält', sagt Kinzig.Was also eint Europa wirklich? Vermutlich ist es die 'langsame, aber stetige Entwicklung hin zu einer immer höher entwickelten Gesellschaft', wie es Terry Davis, der Generalsekretär des Europarates, ausdrückt. Langsam und wacklig, hätte er auch sagen können. Denn so sicher, wie die europäischen Politiker glauben, ist die Ablehnung der Todesstrafe in der Bevölkerung bestimmt nicht. Populisten wie der polnische Premierminister Jaroslaw Kaczynski machen sich nur zum Sprachrohr einer weitverbreiteten Haltung.
Initiative gegen die Todesstrafe e.V. | www.initiative-gegen-die-todesstrafe.de