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14.08.2009 | USA: Abweichende Richter

Ein Bundesberufungsgericht in San Francisco hat gerade mal 80 Wörter für die Ablehnung der Berufung des zum Tode verurteilten Kevin Cooper aufgewendet. Ein einzelner Richter wich dabei von der Mehrheitsmeinung ab und verfasste ein 101 Seiten langes, engagiertes Schreiben, in dem er die Auffassung vertrat, mit der Hinrichtung Coopers würde Kalifornien wohl einen Unschuldigen treffen. Jahrzehntelang hätten Polizei und Staatsanwaltschaft Beweismittel zurückgehalten und manipuliert, seiner Einschätzung nach habe sich selbst der District Court schlichtweg regelwidrig verhalten.

Nicht selten leidenschaftlich formulierte abweichende Richtermeinungen in Todesstrafenfällen haben in den letzten zehn Jahren zahlenmäßig deutlich zugenommen, so bestätigten Sachverständige Angaben der New York Times. Immer häufiger monieren Berufungsrichter, die durchaus als Befürworter der Todesstrafe einzuschätzen sind, dass die laufend durch Kongress und Obersten Gerichtshof erschwerten Bedingungen die zum Tode Verurteilten abschrecke, ihr Urteil überhaupt noch anzufechten.

Mitverantwortlich für die Frustration vieler Berufungsrichter, die sich nicht der Mehrheitsmeinung anschließen, ist das Gesetz 'Antiterrorism and Effective Death Penalty Act' von 1996, das in den jährlich bis zu zwei Dutzend abweichenden Begründungen als Ursache angeführt wird. Dieses Gesetz hatte dazu dienen sollen, Anrufungen der Bundesgerichte durch zum Tode Verurteilte zu minimieren. Einer der Betroffenen ist z.B. Troy Davis in Georgia, dessen Berufungsmöglichkeiten ausgeschöpft sind und dem verwehrt wird, mögliche Unschuldsbeweise vorzubringen.

Den Aufwand zu betreiben und eine abweichende Stellungnahme zu verfassen, ändert nichts daran, dass die Mehrheit der Richter ihre Auffassung durchsetzt; diese separaten Meinungen werden u.U. jedoch von kommenden Juristengenerationen bei der Auslegung von Gesetzen berücksichtigt.

Im Zusammenhang mit sich häufenden abweichenden Richtermeinungen ist sicher der Aspekt zu sehen, dass durch neue DNA-Testverfahren eine nicht unerhebliche Zahl von Fehlurteilen ans Tageslicht kamen, darunter auch Todesurteile, was bei vielen Juristen das Vertrauen in das System erschüttert.
(Quelle: New York Times)

Initiative gegen die Todesstrafe e.V. | www.initiative-gegen-die-todesstrafe.de

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