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21.01.2011 | Hersteller verkaufen Kentucky kein Gift für Hinrichtungen

Während ein für Hinrichtungen verwendetes Medikament in den ganzen USA äußerst knapp geworden ist, lässt sich nun Dokumenten entnehmen, dass zwei Pharmaunternehmen sich weigerten, Kentucky mit diesem Sedativ zu beliefern. Einsicht in die Dokumente wurde gewährt aufgrund eines Antrags gemäß dem Gesetz über Auskunftspflicht.

In den Associated Press vorliegenden E-Mails des Bundesstaates ist zu lesen, dass KRS Global Biotechnology in Boca Raton, Florida, seine Weigerung damit begründete, es sei beim Erwerb von Natrium-Thiopental kein Arzt beteiligt - Kentuckys Gesetze gestatten Ärzten nicht, sich an Hinrichtungen zu beteiligen.

In den Mails zwischen dem Bundesstaat und dem anderen Pharmaunternehmen, Spectrum Chemical and Laboratory Products in Gardenia, Kalifornien, wird keine Begründung für das Stornieren angeführt. Associated Press erfuhr von einem Sprecher des Unternehmens, man habe den Auftrag gelöscht, als dieser Betriebszweig letztes Jahr verkauft wurde.

Mindestens sieben weitere Bundesstaaten, in denen Natrium-Thiopental für Exekutionen zum Einsatz kommt, hatten in den letzten Monaten Schwierigkeiten, das Mittel in ausreichender Menge zu beschaffen. Der Hauptlieferant in den USA berief sich auf Versorgungsengpässe. In Kentucky mussten Hinrichtungen bislang nicht aufgeschoben werden, da sie seit September aus anderen Gründen ausgesetzt sind.

Anhand der E-Mails aus Kentucky wurde nun erstmals publik, dass Firmen es abgelehnt haben, Bundesstaaten dieses Mittel für Exekutionen zu verkaufen.

Man kann darin die verzweifelte Suche nach jeglichem noch nicht abgelaufenen Natrium-Thiopental ablesen, bei der Gefängnisbeamte aus Kentucky mehr als zwei Dutzend Bundesstaaten, über ein halbes Dutzend Pharmahersteller und sogar eine Stelle im US-Justizministerium kontaktierten. Kentucky hatte zwar im Juni Ohio 3 Gramm abgetreten, die Hälfte einer dort für Hinrichtungen benötigten Dosis, doch jetzt scheint kein Bundesstaat willens, eigene Bestände mit Kentucky zu teilen.

"So langsam drängt sich mir der Eindruck auf, dass Pharmahersteller und Lieferanten uns Mittel für diese Zwecke nur widerstrebend verkaufen", schrieb Phil Parker, Leiter des Gefängnisses, in dem der Todestrakt von Kentucky untergebracht ist, in einer E-Mail im Juli.

Bereits im Januar 2010 begann Kentucky mit der Suche nach Natrium-Thiopental, also sechs Wochen, nachdem das Büro des Justizministers von Kentucky den Gouverneur ersucht hatte, Termine für drei Hinrichtungen festzusetzen.

Im Juni hatte Kentucky die Firma Spectrum Chemical als den einzigen Lieferanten ausgemacht, der das Medikament vorrätig hatte; am 14. Juni wurden 50 Gramm des schnell wirkenden Mittels geordert - ausreichend für acht Exekutionen. Im Juli stornierte Spectrum den Auftrag.

Staatsbeamte gingen laut E-Mails davon aus, Spectrum habe das Geschäft rückgängig gemacht, nachdem das Unternehmen herausgefunden hatte, bei den Käufern handelte es sich nicht um ein Krankenhaus oder Klinikum und somit um gelistete autorisierte Kunden, sondern um die Strafjustizbehörde von Kentucky.

Ein Apotheker von Fredonia Pharmacy Corner, einer Einrichtung, über die der Bundesstaat andere Medikamente bestellte und die knapp 25 km vom Gefängnis entfernt ist, bot an, Natrium-Thiopental für die Behörde zu bestellen, sofern er 15% für sich aufschlagen dürfe. Spectrum nahm die Bestellung jedoch nicht an, da es nicht an Apotheken liefere.

Gefängnisdirektor Parker spekulierte in einer Mail vom 19. Juli an LaDonna Thompson, Beauftragte der Gefängnisbehörde, Spectrum habe den Verwendungszweck des Mittels und die Verbindung zwischen Apotheke und Gefängnis herausbekommen. "Unter dem Strich ist klar, sie verkaufen weder an Einzelpersonen noch an Firmen, die uns nahestehen."

Brad Ashby, ein Apotheker, der bei Fredonia gearbeitet hatte, schrieb Parker in einer Mail, Spectrum habe ursprünglich kein Probleme darin gesehen, ihm das Mittel zu verkaufen. Am 19. Juli schrieb er: "Ich erklärte Spectrum am Freitag, wir seien eine Apotheke und da hieß es nicht, sie könnten uns nicht beliefern. 'Apotheken' sind laut deren Liste durchaus als Käufer zugelassen." (...)

Julie Berryman, Vorsitzende von Spectrum an der Westküste und Leiterin der Rechtsabteilung, erklärte gegenüber AP, das Unternehmen vertrete keinen offiziellen Standpunkt in Bezug auf Hinrichtungen. Der Vertrag mit den Strafvollzugsanstalten Kentuckys sei über den Teil der Firma gelaufen, der letztes Jahr an ein anderes Unternehmen verkauft worden sei, damit habe man die Bestellung stornieren müssen.

"Wir sind ein Wirtschaftsunternehmen. Wir würden ein Geschäft nie aus politischen Beweggründen ablehnen", sagte Berryman zu Associated Press.

 Daraufhin handelte Kentucky im September eine Bestellung mit KRS Global Biotechnology im Wert von $16.000 aus, genug für sechs Hinrichtungen. Der Vertrag kam jedoch nicht zustande, da die Firma darauf bestehe, dass ein Arzt in die Modalitäten eingebunden sei. (...) Einer Behördensprecherin zufolge hätte die Gefängnisbehörde möglicherweise gegen geltendes Recht verstoßen, hätte sie einen Arzt für die Beschaffung hinzugezogen.

KRS war für eine Stellungnahme gegenüber AP nicht zu erreichen.

Nach der Weigerung dieser beiden Firmen, Kentucky Natrium-Thiopental zu verkaufen, beteiligte sich die Gefängnisbehörde am Gerangel um die schwindenden Bestände des Mittels in den USA, bevor im Oktober durch das Verfallsdatum auch die letzten eigenen Reste unbrauchbar geworden wären.

(...)

Um das Medikament doch erwerben zu können, schlug Parker vor, einen bislang bei Ankäufen des Bundesstaats unbeteiligten Apotheker zu verpflichten oder eine andere Institution in Kentucky zwischenzuschalten; seine Bemühungen verlief jedoch im Sande.

Hospira Inc., der in Lake Forest, Illinois, ansässige Hauptlieferant von Natrium-Thiopental, schob die landesweite Verknappung auf den Mangel an Rohstoffen. Hospira und der Food and Drug Administration zufolge sollte das Mittel im Frühjahr wieder verfügbar sein.

Natrium-Thiopental kommt bei chirurgischen Eingriffen als Anästhetikum zum Einsatz, doch viele Krankenhäuser wechselten inzwischen auf Propofol über, was die Verwendungsmöglichkeiten von Natrium-Thiopental deutlich eingrenzte.

Sprecher für Hospira schrieben wenigstens an zwei Staaten, Ohio und Mississippi, und erklärten, das Mittel werde für medizinische Zwecke hergestellt, nicht jedoch für die Vollstreckung von Todesurteilen.

"Daher befürworten wir auch nicht, dass eines unserer Produkte im Zusammenhang mit der Vollstreckung von Todesurteilen Anwendung findet", schrieb im März Dr. Kees Gioenhout, Stellvertretender Leiter der Abteilung Forschung und Entwicklung, an Gefängnisbeamte in Ohio.

Die Gesetze Kentuckys erlauben zwar Ärzten nicht, aktiv an Hinrichtungen teilzunehmen, doch dies gilt nicht gleichermaßen für Apotheker. Deren Standesorganisation, ansässig in Washington D.C., widersetzt sich Gesetzen und Vorschriften, die Apothekern in diesem Zusammenhang Beschränkungen auferlegen wollen, so deren Sprecherin Michelle Fritts.

So wandte sich Kentucky wiederum an Fredonia, um auf diesem Weg Kaliumchlorid, einen anderen Bestandteil der Giftabfolge, zu beschaffen. Den dritten Teil, Pancuroniumbromid, erhielt es über Henry Schein, eine Firma in Melville, New York, die pharmazeutische Produkte vertreibt.

AP vorliegende Unterlagen belegen, dass Kentucky über 500 mg des Lähmungsmittels Pancuroniumbromid verfügt; es läuft im November ab. Das Verfallsdatum März 2012 gilt für eine weitere Menge von 150 mg.

Des weiteren verfügt Kentucky über 720 Millieinheiten Kaliumchlorid, welches Herzstillstand hervorruft, mit Verfallsdatum Februar, sowie weitere 2.250 mit Verfallsdatum Februar 2012.

Der Vorrat von 6 Gramm Natrium-Thiopental lief ab, bevor Kentucky das nächste Todesurteil vollstrecken konnte.

Der 16. September, Hinrichtungsdatum für Gregory L. Wilson, der 1988 wegen Entführung, Vergewaltigung und Ermorden einer Frau im Norden Kentuckys schuldig gesprochen war, verstrich, da ein Richter sämtliche Exekutionen stoppte, solange nicht die Bedenken ausgeräumt sind, ob Kentucky bei der Bewertung des Geisteszustands von Hinrichtungskandidaten korrekt vorgehe.
(Quelle: Associated Press)

Links:

dailycaller.com/2011/01/18/companies-wont-sell-ky-lethal-injection-drug/

Initiative gegen die Todesstrafe e.V. | www.initiative-gegen-die-todesstrafe.de

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