zurück zur Übersicht

01.06.2012 | USA: Pfusch bei Hinrichtungen

Ein Juraprofessor und eine Gruppe seiner Studenten am Amherst College recherchierten Hinrichtungen in den USA seit 1900 und haben nun ihre Ergebnisse vorgestellt.

Von den etwa 9000 Exekutionen zwischen 1900 und 2011 seien 270 schlampig ausgeführt oder in irgendeiner Form verpfuscht worden.

"Angesichts der Schwere der Entscheidung, jemandem das Leben zu nehmen, sowie dem verfassungsmäßig verhängten Verbot der grausamen Bestrafung, sollte der Umstand, dass drei Prozent aller Hinrichtungen vermasselt worden sind, jedem Amerikaner ernstlich zu denken geben", kommentierte Professor Austin Sarat die Ergebnisse.

Bei der Recherche stützte sich das Team auf Zeitungsartikel. Detaillierte und oftmals grausige Schilderungen von Urteilsvollstreckungen der letzten 111 Jahre wurden ausgewertet in Bezug auf Abweichungen vom vorgesehenen Ablauf einer Hinrichtung; diese Angaben wurden in einer einzigartigen Datenbank zusammengeführt. Als Abweichungen werden beispielsweise Vorfälle aufgeführt, bei denen ein Häftling Feuer fing, als er auf dem elektrischen Stuhl hingerichtet wurde, Verurteilte, die am Strang elend erstickten, wenn beim Fall ihr Genick nicht brach, oder auch falsche Dosierung von Medikamenten, die bei Giftinjektionen verabreicht wurden.

Sarat und seinen Studenten fiel insbesondere in Veröffentlichungen vom Anfang des 20. Jahrhunderts auf, wie die Medien derartige Vorkommnisse regelmäßig ausführlich schilderten, jedoch in ihrer Auswirkung gleichzeitig herabspielten - der Häftling habe nicht gelitten und der Gerechtigkeit sei Genüge getan. Die Anwendung der Todesstrafe wurde nicht kritisch hinterfragt: "Die Artikel wurden dafür benutzt, die Auflage zu steigern und für nichts anderes."

In seiner Bewertung bemerkte Sarat, während die US Strafjustiz sich bei der Anwendung der Todesstrafe verbessert habe, habe auch die moderne Gesellschaft höhere Anforderungen an sie gestellt, insbesondere sollte das Töten nicht unnötig Schmerzen bereiten. Insofern ist der vertretbare Spielraum für Fehler heutzutage schmaler denn je zuvor. Pannen bei Vollstreckungen von Todesurteilen sind im 21. Jahrhundert genauso ein Thema wie im 20.

Als Beispiel für eine erst im September 2009 schiefgegangene Hinrichtung nannte Sarat den Fall von Romell Broom in Ohio. Nach über zwei Stunden erfolgloser Bemühungen, eine brauchbare Vene zu finden, durch die das tödliche Gift hätte injiziert werden können, brachen die Gefängnisbeamten den Vorgang ab. Broom hatte entsetzliche Schmerzen aushalten müssen, so dass er verschiedentlich sogar versuchte, seinen Henkern bei der Suche nach einer Vene zu helfen. Am Ende ließ Gouverneur Ted Strickland die Hinrichtung abbrechen und erließ einen einwöchigen Aufschub. "Meiner Ansicht nach kann eine Prozedur, wie Romell Broom sie durchmachte, mit unseren verfassungsmäßigen Verpflichtungen, grausame Bestrafung zu vermeiden, nicht in Einklang gebracht werden", sagte Sarat.

Der Studentin Heather Richard fiel u.a. der Fall von James Wells ins Auge, der im März 1922 auf dem elektrischen Stuhl hingerichtet wurde. Während ein Reporter für Associated Press schrieb, dass die Hinrichtung elf vergebliche Versuche eines unerfahrenen Henkers umfasste und ganze 20 Minuten dauerte, wurde daraus im Standard-Examiner in Utah, die Vollstreckung habe "nur wenige Minuten" gedauert und der Henker sei "erfahren" gewesen. Richard nannte dies nur eines von vielen Beispielen, bei denen bestimmte Zeitungen die Fakten nach Gutdünken veränderten.

"Wie eine Gesellschaft Taten bestraft und sich dann darüber äußert, sagt viel über ihren wahren Charakter aus", fasste Sarat zusammen. "Die Art und Weise, wie eine Gesellschaft Strafen verhängt, reflektiert ihr Bekenntnis zu den Regeln für Beurteilung und Justizwesen, (...) und ihr Verständnis von Gnade und Vergebung, und auch wie sie auf das Böse reagiert." Er fügte hinzu: "Wie wir leider an der Todesstrafe hängen, offenbart eine unschöne, unziemliche Seite am Wesen der Amerikaner."

Quelle: Science Daily

 

Links:

www.sciencedaily.com/releases/2012/05/120529133458.htm

Initiative gegen die Todesstrafe e.V. | www.initiative-gegen-die-todesstrafe.de

zurück zur Übersicht