06.11.2013 | Iran: Politischer Gefangener hingerichtet
Am Morgen des 4. November wurde Berichten zufolge im Gefängnis von Saghez der kurdische politische Häftling Shirko Moarefi, 33, exekutiert.
Weder seine Familie noch seine Anwälte waren im Vorfeld darüber in Kenntnis gesetzt worden, was jedoch gesetzlich vorgeschrieben ist.
Moarefis Anwalt Ahmad Saeed Sheikhi habe von der Urteilsvollstreckung erst aus den Medien erfahren, meldete die International Campaign for Human Rights in Iran. Als er um 16 Uhr einen Angehörigen des Verurteilten per Handy erreichte, habe er erfahren, dass die Familie gerade unterwegs sei, den Leichnam abzuholen.
Moarefi war wie nicht wenige kurdische Häftlinge wegen „Moharebeh“ (Feindschaft zu Gott) angeklagt. Dieses Delikt ist recht vage definiert, was dem Regime eine Grundlage an die Hand gibt, politisch Andersdenkende gerichtlich zu verfolgen und in vielen Fällen zum Tode zu verurteilen.
Des weiteren wurde Moarefi beschuldigt, der Komalah-Partei anzugehören, einer kurdischen politischen Organisation.
Verhaftet wurde er 2008, als er aus dem kurdischen Teil Iraks wieder in den Iran zurückkehrte.
Seine Familie erklärte, der Prozess gegen ihn habe „fünf Minuten“ gedauert, bevor man ihn schuldig sprach und zum Tode verurteilte. Moarefi sei im Gefängnis außerdem gefoltert worden. Im Jahr 2009 sei er in Einzelhaft verlegt worden, was sie als Zeichen gewertet habe, dass man ihn in Kürze hinrichten könnte.
Moarefi trat 2011 in einen Hungerstreik, als er annahm, seine Exekution stehe kurz bevor.
Staatliche Medien berichten auch von der Hinrichtung von fünf weiteren Häftlingen im Gefängnis von Kermanshah, die wegen Mordes verurteilt waren.
Eine am selben Tag veröffentlichte Erklärung der World Coalition Against the Death Penalty (WCADP) verurteilt die willkürlichen Hinrichtungen im Iran und fordert die internationale Staatengemeinschaft auf, auf die Liste der Gesprächsthemen mit den iranischen Behörden die Todesstrafe an oberste Stelle zu setzen.
Die WCADP ist eine internationale Organisation, die sich für die weltweite Abschaffung der Todesstrafe engagiert. Sie wurde am 13. Mai 2002 in Rom gegründet und besteht aus über 150 Nichtregierungsorganisationen, Anwaltsverbänden und regionalen Vereinigungen.
Die Organisation spricht von einer zunehmend hohen Zahl an Hinrichtungen im Iran. Seit dem 26. Oktober haben demnach 45 bestätigte Exekutionen stattgefunden, sechs davon am 4. November.
Die Vorsitzende der WCADP, Florence Bellivier, kritisiert die Anwendung der Todesstrafe insbesondere auch im Hinblick auf die Exekution von 16 Gefangenen in Belutschistan, bei der der Iran gegen internationales Recht verstoßen habe, und es seien selbst Vorschriften des eigenen Landes außer Acht gelassen worden.
Darüber hinaus steht möglicherweise die Hinrichtung von mindestens zwölf Kurden bevor. Iran Human Rights befürchtet, vier sunnitische Kurden könnten exekutiert werden, die für die Ermordung eines Geistlichen die Todesstrafe erhielten, obschon sie zur Tatzeit inhaftiert waren.
Amnesty International hält die Gefahr für groß, dass die beiden Kurden Zanyar und Loghman Moradi, die die Organisation als politische Gefangene betrachtet, in Kürze gehängt werden. Sie sollen unter Folter zum „Geständnis“ gezwungen worden sein, 2009 den Sohn eines hohen Geistlichen im kurdischen Marivan getötet sowie sich an bewaffneten Aktionen einer kurdischen Gruppierung beteiligt zu haben.
Des weiteren sollen vier arabische Todestraktinsassen aus Ahwaz an einen unbekannten Ort verbracht worden sein, was bedeuten kann, dass ihre Hinrichtung bevorsteht.
Der Sprecher von Iran Human Rights, Mahmood Amiry-Moghaddam, bezeichnet es als paradox, dass in der Zeit, in der sich das Verhältnis zwischen dem Iran und der internationalen Gemeinschaft nach dem Amtsantritt von Präsident Rouhani im Juni gebessert habe, gleichzeitig mit bislang 278 Exekutionen eine sehr hohe Hinrichtungsquote zu verzeichnen sei. Von diesen 278 wurden 166 offiziell bestätigt, darunter auch die eines zur Tatzeit 14-Jährigen.
Quellen: Iran Human Rights, kurdishrights.org, iranian.com
Initiative gegen die Todesstrafe e.V. | www.initiative-gegen-die-todesstrafe.de