16.01.2013 | Saudi-Arabien: Etwa 50 ausländische Dienstmädchen zum Tode verurteilt
Als am 9. Januar das aus Sri Lanka stammende Hausmädchen Rizana Nafeek vor Hunderten von Schaulustigen auf einem öffentlichen Platz mit dem Schwert enthauptet wurde, war sie nur eine von vielen Ausländerinnen, die im konservativen Königreich Saudi-Arabien als Dienstmädchen arbeiteten und dann dort zum Tode verurteilt wurden.
Wie in Saudi-Arabien mit ausländischen Bediensteten häufig umgegangen wird, sehen viele zunehmend kritisch.
Rizana Nafeek hatte bestritten, den Sohn ihrer Arbeitgeber getötet zu haben, der Junge sei durch unglückliche Umstände erstickt. Ein angebliches Geständnis sei während der Verhöre unter Druck erzwungen worden, dennoch wurde es im Prozess als Beweis gewertet.
Die junge Frau soll außerdem noch minderjährig gewesen sein, als der in ihrer Obhut befindliche Junge ums Leben kam. Die Anwendung der Todesstrafe auf Personen unter 18 Jahren stellt einen Verstoß gegen internationales Strafrecht dar. Ein Rechtsbeistand war Rizana Nafeek verweigert worden und sie durfte auch nicht ihre Geburtsurkunde als Beweis für ihr tatsächliches Alter vorlegen.
Alle Proteste ihres Heimatlandes gegen die Urteilsvollstreckung wurden von Saudi-Arabien ignoriert, ebenso die anderer Länder und zahlreicher Menschenrechtsorganisationen.
UN-Generalsekretär Ban Ki-moon äußerte seine Betroffenheit und zeigte sich besorgt angesichts von "Unregelmäßigkeiten" bei Verhaftung und Prozess gegen Nafeek. Die Todesstrafe werde in Saudi-Arabien immer häufiger angewendet.
Laut der International Business Times befinden sich in dem Land momentan vermutlich noch mindestens 50 weitere Hausmädchen in der Todeszelle; amtliche Zahlen werden dazu nicht veröffentlicht.
Die meisten dieser zu Tode verurteilten Frauen stammen demnach aus Indonesien - Menschenrechtsgruppen geben diese Zahl mit 45 an -, andere Todestraktinsassen kommen aus Sri Lanka, den Philippinen, Indien und Äthiopien.
In Saudi-Arabien und benachbarten Golfstaaten sehen sich Frauen wohlhabender Männer häufig während eines großen Teils ihres Lebens auf den Bereich ihrer Wohnung beschränkt, wo sie ihrerseits eine Machtposition über das ausländische Hauspersonal innehaben. Die häufig wenig gebildeten Dienstboten erhalten meist eine geringe Bezahlung, sie müssen ihren Pass an die Arbeitgeber abgeben und werden regelrecht geknechtet.
Allein in Saudi-Arabien gibt es ungefähr anderthalb Millionen ausländische Hausmädchen, die sich in dem reichen Erdölstaat einen guten Arbeitslohn erhoffen; Sri Lanka stellt 375.000 von ihnen. Doch vor Ort sind sie ihren Arbeitgebern zumeist auf Gnade oder Ungnade ausgeliefert.
Die Internationale Arbeitsorganisation ILO schätzt, dass weltweit ca. 52,6 Millionen Hausangestellte keine Rechte oder Schutz genießen.
Oft wird angeklagten Arbeitsmigranten weder ein Dolmetscher noch ein Anwalt zur Seite gestellt, auch der Zugang zu konsularischem Beistand wird regelmäßig unterbunden.
Im saudischen Königreich haben es Dienstboten besonders schwer. Wird eine Hausangestellte misshandelt oder ausgebeutet und läuft davon, wird sie nicht selten willkürlich des Diebstahls bezichtigt und sieht sich unfairen Gerichtsverfahren und harten Strafen ausgesetzt.
Gelegentlich werden Dienstboten von ihren Arbeitgebern sogar der Zauberei beschuldigt, dies trifft besonders auf Indonesierinnen zu.
Sexuelle Übergriffe und Vergewaltigung durch Arbeitgeber können zusätzlich in einer Anzeige wegen Ehebruchs oder Unzucht gipfeln.
Zum Tode Verurteilten haben mitunter eine Chance, sich durch Zahlung eines "Blutgelds" von der Hinrichtung freizukaufen. Satinah binti Jumadi Ahmad, 40 Jahre, aus Indonesien soll ihren Arbeitgeber während eines Streits ermordet haben und erhielt die Todesstrafe. Die Familie des Getöteten forderte umgerechnet etwa 1,9 Millionen Euro, damit sie von der Vollstreckung absehen. Die Regierung Indonesiens bot dem Vernehmen nach an, einen Betrag zu bezahlen, der jedoch unter der Forderung lag.
Im Jahr 2011 blockierte das Land die Ausreise für Arbeitsmigranten nach Saudi-Arabien, nachdem dort ein indonesisches Hausmädchen enthauptet worden war.
Vor zwei Jahren wurden in Saudi-Arabien 79 Menschen hingerichtet, darunter fünf Frauen, 2012 waren es 76; diese Angaben stammen von Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International und Human Rights Watch. Eine Frau wurde wegen Zauberei und Hexerei enthauptet. Über 120 Personen, zumeist ausländische Staatsbürger, befinden sich laut Amnesty derzeit in Saudi-Arabien im Todestrakt.
Quelle: International Business Times
Initiative gegen die Todesstrafe e.V. | www.initiative-gegen-die-todesstrafe.de