12.03.2014 | Louisiana: Nach dreißig Jahren Todestrakt wieder frei
Gestern am späten Nachmittag wurde Glenn Ford nach dreißig Jahren vom Bundesstaat Louisiana auf freien Fuß gesetzt. Seine Haftentlassung unterzeichnete der gleiche Richter, der ihm 2009 die Verschonung verwehrte.
Der Schwarze Glenn Ford war 1984 von einer nur aus weißen Geschworenen zusammengesetzten Jury schuldig gesprochen worden.
Nach seinem Prozess, in dem eine Reihe von Verstößen gegen rechtstaatliche Grundregeln erfolgte, verbrachte er fast drei Jahrzehnte unschuldig in der Todeszelle.
Damit gehört er zu den Häftlingen in der jüngeren Geschichte der USA, die am längsten rechtskräftig zum Tod verurteilt waren und schließlich nach ihrer Schuldentlastung freigelassen werden mussten.
Vergangene Woche hatten sowohl Fords Anwälte als auch die Staatsanwaltschaft von Shreveport Anträge gestellt, die Zeit sei gekommen, den Schuldspruch wegen Mordes gegen den Verurteilten aufzuheben.
Die Staatsanwaltschaft hatte nach eigenem Bekunden letztes Jahr Kenntnis erhalten, „glaubhafte Beweise“ sprechen dafür, Ford sei bei dem Überfall auf das kleine Schmuckgeschäft von Isadore Rozeman und dessen Ermordung am 5. November 1983 weder anwesend noch sonst daran beteiligt gewesen.
Ford hatte seinerzeit Haus- und Gartenarbeiten für Rozeman durchgeführt. Einige Zeugen hatten ausgesagt, ihn am betreffenden Tag in der Nähe des Tatorts gesehen zu haben.
Als Ford erfuhr, dass die Polizei nach ihm suchte, stellte er sich umgehend bereitwillig der Befragung und kooperierte monatelang bei den Ermittlungen.
Nach Aussage eines Informanten, den der Staatsanwalt für glaubhaft hält, dürfte einer der vier ursprünglich zusammen mit Ford verhafteten Männer der wahre Täter sein.
Fords Pflichtverteidiger stellten sich als mit dem Fall völlig überfordert heraus, sie wurden einfach der Liste der vor Ort verfügbaren Anwälte entnommen.
Der Hauptverteidiger war noch nie in einem Schwurgerichtsfall tätig gewesen, sein Metier waren Öl und Erdgas.
Der zweite Verteidiger hatte erst zwei Jahre zuvor seinen Juraabschluss gemacht und arbeitete seither in einer Kanzlei, die für Versicherungen Schadenersatzforderungen von Personen abwickelte, die gestürzt oder ausgerutscht waren.
Ford hatte dreißig Jahre lang stets seine Unschuld beteuert, genauso lange beharrten die Gerichte Louisianas unbeirrt auf der Verurteilung.
Zahlreiche Faktoren hatten zu dem Fehlurteil beigetragen. Bei der Auswahl der Geschworenen strich die Anklageseite alle mit schwarzer Hautfarbe; die dafür vorgetragenen Begründungen waren abwegig und beleidigend.
Der Verteidigung wurden verfassungswidrig von der Anklage vor und während des Prozesses einige entlastende Beweise vorenthalten.
Die Hauptbelastungszeugin gab den Geschworenen gegenüber zu, die Polizei habe ihr beim Aufsetzen ihrer Aussage geholfen. Im Kreuzverhör durch die Verteidigung gestand sie sogar, alles sei erlogen. Die Geschichte dieser Zeugin hatte überhaupt erst zur Anklageerhebung geführt, als sie diskreditiert war, wurden sogenannte Experten herangezogen.
Der zuständige Gerichtsmediziner, der die Leiche des Getöteten nicht einmal persönlich in Augenschein genommen hatte, bestätigte ohne eigene Untersuchung einen mutmaßlichen Todeszeitpunkt und behauptete, bei dem Täter müsse es sich um einen Linkshänder gehandelt haben.
Der zweite Sachverständige will Schmauchspuren an Fords Händen gefunden haben und der dritte, ein Polizeibeamter, der kein geprüfter Experte für Fingerabdrücke war, schlussfolgerte, bestimmte „Windungen“ von Fords Fingerabdruck entsprechen einem nur teilweise gesicherten Abdruck, der sich an einer Tasche befand, die der Polizei zufolge vermutlich bei der Tat verwendet worden war.
Fords Rechtsvertreter wagten es nicht, ihrerseits Sachverständige hinzuzuziehen, in der irrigen Annahme, sie müssten dann die Kosten dafür tragen.
Es gab keine Augenzeugen für die Tat und man fand auch die Tatwaffe nicht, vielmehr sprach vieles für Fords Unschuld, dennoch wurde er sehr schnell schuldig gesprochen. Trotz aufkommender Zweifel stellte seit der Verurteilung kein einziges Gericht den Schuldspruch in Frage oder ließ den Prozess neu aufrollen.
Im Oktober 2009 gestand ein Richter in Louisiana zu, bestimmte Umstände, wie etwa das Hinzuziehen eigener Sachverständiger, hätten sich möglicherweise tatsächlich zugunsten des Angeklagten auswirken können, doch sei dies noch lange nicht als „ineffektiver Beistand“ zu werten – dies bestätigte der Oberste Gerichtshof von Louisiana damals durch sein Urteil.
Noch ist nicht bekannt, ob es nun zur Anklage gegen andere Personen für den Mord an Rozeman kommen wird.
Während der Haftzeit von Glenn Ford ließ Louisiana 26 andere Verurteilte hinrichten, 18 durch den elektrischen Stuhl, acht mittels Giftinjektion.
In den USA wurde seit 1973 laut dem Death Penalty Information Center bei insgesamt 143 Personen nach gültiger Verurteilung die Todesstrafe aufgehoben - Glenn Ford könnte die 144. sein. Erst im Oktober letzten Jahres kam Reginald Griffin in Missouri frei. In Kalifornien darf seit November Kash Register auf endgültige Entlastung hoffen.
Quellen: The Atlantic, Death Penalty Information Center
www.theatlantic.com/national/archive/2014/03/freedom-after-30-years-on-death-row/284179/
Initiative gegen die Todesstrafe e.V. | www.initiative-gegen-die-todesstrafe.de