Nigeria

Die Todesstrafe in Nigeria

Im Jahr 2019 wurden zwar keinerlei Berichte über Hinrichtungen in Nigeria bekanntgegeben, doch wird die Todesstrafe durch Gerichte weiterhin verhängt. Bereits im Jahr 2017 bezifferte Amnesty International die Anzahl von Todestraktinsassen in Nigeria auf 2.285.

Zwischen 2013 und Ende 2016 wurden zwar keine Exekutionen durchgeführt, doch stieg die Anzahl jährlich verhängter Todesurteile seitdem rapide an: Laut Amnesty International wurden allein im Jahr 2014 rund 650 Todesurteile ausgesprochen. Im Jahr 2015 wurde ein Viertel aller weltweit ausgesprochenen Todesurteile von nigerianischen Gerichten verhängt. Am 23. Dezember 2016 wurden im Gefängnis von Beninn City drei Männer im Geheimen hingerichtet, die unter Militärrecht zum Tode verurteilt worden waren. 

Todesurteile wurden in den letzten Jahren besonders häufig gegenüber nigerianischen Soldaten durch das Militärgericht in der Hauptstadt Abuja ausgesprochen. Dies betrifft in der Regel Soldaten, die in den nördlichen Gebieten Nigerias im Kampf gegen die Terrororganisation Boko Haram eingebunden waren oder hierfür eingesetzt werden sollten und des Ungehorsams oder verweigerten Kampfeinsatzes beschuldigt wurden.

Im Dezember 2019 veröffentlichte der Islamische Staat (IS) ein Video, in dem die mutmaßlich durch sie durchgeführten Hinrichtungen von elf Christen im Norden Nigerias gezeigt wurden.

Das Justizsystem: Säkulare und islamische Gerichte

Seit Ende der Militärdiktatur 1999 und der Machtübernahme durch den Präsidenten Muhammadu Buhari entstanden parallel zu den säkularen Gerichten in 12 Bundesstaaten zusätzlich islamische Gerichte. Diese finden sich vorwiegend im Norden Nigerias, in dem zugleich der Großteil der muslimischen Bevölkerung lebt. Im Jahr 2015 wurde aufgrund der engen Auslegung der Scharia erstmals ein Todesurteil wegen Blasphemie (Beleidigung des Propheten Mohammeds) ausgesprochen. 

Anklage- und Gerichtsverfahren wie auch Verurteilungen und ihre Vollstreckung entsprechen in geringem Maß internationalen Standards. Das Justizsystem ist dabei nicht nur aufgrund der religiösen Spaltung des Landes, sondern auch wegen der Autonomie der einzelnen Gerichte sehr heterogen: So hat jeder der 36 nigerianischen Staaten eigene und teilweise zusätzliche Bestimmungen.  Von islamischen Gerichten dürfen nur Muslime verurteilt werden, welche ungefähr 50 Prozent der Bevölkerung ausmachen. Zwischen 40 und 46 Prozent der Bevölkerung sind Christen, daneben gibt es auch eine Reihe weiterer religiöser Gruppierungen.

Straftaten, die in Nigeria mit dem Tod geahndet werden können

Zu den Verbrechen, die nach säkularem wie auch islamischem Recht mit dem Tod bestraft werden können, zählen: Mord, bewaffneter Raubüberfall (mit und ohne Todesfolge) sowie terroristische Straftaten, Pläne oder Aktivitäten. Auch nicht-tödliche Delikte wie Verrat stehen unter Todesstrafe. Nach islamischem Recht kann darüber hinaus Ehebruch, Homosexualität, Vergewaltigung, die Beleidigung des Propheten Mohammeds (Blasphemie), die Abwendung vom Glauben (Apostasie) oder Hexerei mit dem Tod bestraft werden.

In sechs Staaten zählt zudem seit 2017 Entführung mit Todesfolge zu den Kapitalverbrechen. Unter Militärrecht können Vergehen wie Ungehorsam oder Dienstverweigerung zum Todesurteil führen. Die Todesstrafe für sogenannte „Hate-Speech“ stand ebenfalls zur Diskussion, dies kann schließlich aber nur mit lebenslänglicher Haftstrafe belangt werden.

Amnesty International berichtete zudem, dass in einigen nigerianischen Bundesstaaten erneut rechtliche Schritte zur Ausweitung der Todesstrafe eingeleitet wurden. So verabschiedete der Bundesstaat Rivers im März 2019 novellierte Gesetze über das Verbot geheimer Kulte und ähnlicher Aktivitäten sowie über das Verbot von Entführungen.

Die üblichen Hinrichtungsmethoden sind nach islamischem und säkularem Recht wie auch unter Militärrecht Erhängen und Erschießen. Die endgültige Vollstreckung eines Todesurteils bedarf immer der Bestätigung durch den jeweiligen Gouverneur. Findet die Scharia Anwendung, können Verurteilte für bestimmte Sexualverbrechen wie Vergewaltigung, Ehebruch oder homosexuelle Handlungen auch gesteinigt werden.

Die Gefängnisse und Inhaftierungsbedingungen in nigerianischen Todestrakten gleichen mittelalterlichen Kerkern und erinnern an die Zeiten der Sklaverei: Bis zu zehn Insassen teilen sich fensterlose Zellen, die nicht größer als 2 x 3 m sind und weder Betten noch Toiletten haben. Im Enugu-Gefängnis in Lagos befindet sich direkt auf dem Gang vor den Zellen die in den Boden mit Falltür eingebaute Henkerskammer (siehe Zeichnung). Die realitätsnahe gezeichnete Abbildung stammt von dem nigerianischen ehemaligen Todestraktinsassen und Künstler Arthur J. Angel.

     Todeszellen im Enugu-Gefängnis, gezeichnet von Arthur J. Angel

Aufgrund der menschenunwürdigen Bedingungen ist es nicht verwunderlich, dass selbst eine Umwandlung von Todesurteilen in lebenslängliche Haftstrafen wenig Erleichterung für die Gefangenen bedeutet. Ehemalige Inhaftierte berichten von regelmäßiger Folter und weiterhin bestehender Korruption seitens juristischer Entscheidungsträger, Polizei und Gefängniswärtern. 

Unterernährung, Vergiftungen und Erkrankungen sind aufgrund fehlender medizinischer Versorgung neben Hinrichtungen die Hauptursache von Todesfällen bei den Gefangenen.

Quellen und weitere Informationen zur Todesstrafe in Nigeria:

Nigeria Prison Service; Amnesty International: „Amnesty International Report 2016/2017„, Jahresbericht 2015; Cornell Law School: Death Penalty Worldwide (Stand: Juni 2014); Hands off Cain; Life Wire International, Nigeria (2016); The Nation (Artikel vom 27. Dezember 2016: „Edo executes three death row inmates„); Punch: „Hate Speech: Sponsor bows to pressure, removes death penalty from bill“. (Artikel vom 24.11.2019; abgerufen am 1.3.2020.)

Zeichnungen: Arthur Judah Angel, Künstler und ehemaliger Todestraktinsasse aus Nigeria. 

Stand: Mai 2020