Weißrussland

Weißrussland (Belarus) ist das einzige Land in Europa und der ehemaligen Sowjetunion, das bis heute Todesurteile vollstreckt.

Das Aussprechen und Vollstrecken von Todesurteilen gilt in Weißrussland weiterhin als Staatsgeheimnis. Daher ist es schwer möglich, exakte Angaben über die Anzahl verhängter Todesurteile und Hinrichtungen zu machen.

Landkarte Weißrussland

Nach Angaben des Belarusian Human Rights House wurden zwischen 1990 und Ende 2015 mindestens 329 Menschen zum Tode verurteilt. 281 Urteile hiervon wurden zwischen 1990 und 1999 ausgesprochen. Danach konnte ein Abwärtstrend verzeichnet werden: Zwischen 2000 und 2013 wurden „nur“ noch 50 Personen zum Tode verurteilt. Zurückgeführt wird dies auf die Strafgesetzänderung im Jahr 1998. Diese erlaubt lebenslängliche Haftstraften als Alternative zur Aussprache von Todesurteilen.

Entwicklungen der letzten Jahre

Das Jahr 2009 war das erste hinrichtungsfreie Jahr in Belarus seit Beginn der Aufzeichnungen durch Amnesty International. Doch bereits zwischen März 2010 und Juli 2011 wurden erneut 3 Männer exekutiert. Im Jahr 2012 fanden mindestens drei weitere Hinrichtungen statt. Drei weitere Personen wurden ebenso im Jahr 2014 hingerichtet.

Menschenrechtsaktivisten, die Vereinten Nationen und die Europäische Union drängen seit Jahren die weißrussische Regierung dazu, die Todesstrafe abzuschaffen oder zumindest ein Hinrichtungsmoratorium auszusprechen. Bislang scheiterten hierzu jedoch alle Versuche. Im März 2016 erklärte Präsident Lukaschenko erneut, dass die Regierung Belarus ihre eigene Auffassung in Bezug auf Todesstrafe habe, und hielt an seinem Standpunkt fest, diese als Strafmaß weiterhin aufrechtzuhalten.

Am 18. April 2016 wurde nach Angaben der Vereinten Nationen der weißrussische Staatsbürger Syarhey Ivanov exekutiert. Weitere Todesurteile wurden ebenfalls ausgesprochen. Ende 2016 wurden zudem erneut öffentlich Hinrichtungen bekannt gegeben. Die Vereinten Nationen, die sich nach wie vor für die Abschaffung der Todesstrafe in Belarus einsetzen und die Hinrichtungspraktiken zusammen mit anderen Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International vehement kritisieren, bestätigten die Hinrichtungen der drei Gefangenen Henadz Yakavitski, Ivan Kulesh und Syarhey Khymyaleuski.

Für das Jahr 2017 geht Amnesty International von mindestens zwei weiteren Hinrichtungen aus, 2018 wurden mindestens vier Hinrichtungen dokumentiert. 2019 wurden die beiden wegen Mordes angeklagten Männer Aliaksandr Zhylnikau und Viachaslau Sukharko hingerichtet.

Straftaten, die in Weißrussland mit dem Tod bestraft werden können

Weißrussland behält sich die Todesstrafe für folgende Straftaten vor: Führung eines Angriffskriegs, Mord an einem Vertreter eines ausländischen Staates oder einer internationalen Organisation mit dem Ziel, internationale Spannungen oder einen Krieg auszulösen, internationalen Terrorismus, Verbrechen gegen die Menschlichkeit, vorsätzlichen Mord unter erschwerenden Umständen, Terrorismus, terroristische Handlungen, Hochverrat in Einheit mit Mord, Verschwörung zur Machtergreifung, Sabotage, Mord an einem Polizeibeamten, Einsatz von Massenvernichtungswaffen und Mord an einer Person unter Verletzung des Völker- und Gewohnheitsrechts im Krieg.

Visualisierung Paragraph

Die meisten Todesurteile wurden in Weißrussland wegen vorsätzlichen Mordes unter erschwerenden Umständen ausgesprochen. In allen Fällen ist die Todesstrafe fakultativ. Dementsprechend liegt die Entscheidung über Todesurteile im Ermessen des Gerichts. Die Todesstrafe in Weißrussland darf nicht gegen Frauen und nicht gegen Männer unter 18 oder über 65 Jahre verhängt werden.

Bild Gewehr

Hinrichtungsmethode und Ablauf

Die übliche Hinrichtungsmethode in Weißrussland ist Erschießen. Hinrichtungstermine werden den Gefangenen in der Todeszelle nicht vorher bekanntgeben.

Sie erfahren dies in der Regel erst wenige Minuten vor der Hinrichtung und kurz nachdem endgültig feststeht, dass ihr Gnadengesuch abgelehnt wurde. Kurz vor der Hinrichtung werden die Gefangenen in einen Raum gebracht, in dem ihnen in Anwesenheit des Gefängnisdirektors, des Staatsanwaltes und eines weiteren Mitarbeiters des Innenministeriums die Ablehnung des Gnadengesuchs mitgeteilt wird. Hier wird ihnen dann ebenfalls eröffnet, dass das Todesurteil nun vollstreckt wird. Im Anschluss werden die Gefangenen in einen angrenzenden Raum gebracht. Dort zwingt man sie sich hinzuknien und schießt ihnen in den Hinterkopf.

Die offizielle schriftliche Benachrichtigung über eine Hinrichtung wird von dem Gericht ausgestellt, das die Todesstrafe verhängt hat. Es kann Wochen oder Monate dauern, bis das Gericht diesen Bescheid zustellt.

Die Leichname der hingerichteten Personen werden nicht für die Familien freigegeben. Stattdessen erfolgt die Beerdigung an einem geheimen Ort, der den Angehörigen nicht mitgeteilt wird. Auch werden keine persönlichen Gegenstände des Hingerichteten an die Familienangehörigen aushändigt.

Quellen und weitere Informationen:

Amnesty International, Belarus Human Rights House: „The new death sentence was passed in Belarus„, November 2015“. Lesen Sie hierzu auch den Artikel: „Belarus Retains Death Penalty, Promotes UN Reform – Belarus Foreign Policy Digest„, Belarus Digest vom 17. März 2016; „Belarus: execution shows ‘callous disdain’ for international human rights law – UN experts„, United Nations News Centre vom 13. Mai 2016; „UN Condemns Executions in Belarus„, Radio Free Europe vom 5. Dezember 2016; „Death penalty in Belarus: Murder on (Un)Lawful GroundFIDH Bericht von Oktober 2016; „Todesurteile und Hinrichtungen 2017„, Jahresbericht von Amnesty International von April 2018. 

Stand: Juni 2020