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18.06.2009 | USA: Gerichtsentscheidung: Verurteilte haben keinen Anspruch auf DNA-Tests

Am Donnerstag entschied der Oberste Gerichtshof mit fünf zu vier Stimmen, rechtskräftig Verurteilte haben kein Anspruch darauf, DNA-Untersuchungen von Beweisgegenständen zum Nachweis ihrer Unschuld anzufordern.

Konkret ging es um William Osborne aus Alaska, der 1993 des tätlichen Angriffs, Kidnappings und sexuellen Übergriffs schuldig gesprochen wurde. Zwar hatte die Zeugin Osborne als eine der beiden Angreifer identifiziert, doch Gerichtsunterlagen zufolge war diese Identifizierung nur vage, da sie schlecht sah und der Übergriff nachts stattgefunden hatte.

Osborne beantragte 2001 beim zuständigen Gericht seines Bundesstaats Zugang zu den Beweismitteln, damit diese mit den neuesten DNA-Methoden untersucht werden können, welche seinerzeit noch nicht zur Verfügung standen. Er erhob schließlich Klage vor einem Bundesgericht, da der Staat Alaska über keinerlei Vorschriften verfüge, die nachträgliche DNA-Tests regeln.

John Roberts vom Obersten Gerichtshof formulierte in der von der Mehrheit getragenen Entscheidung, Osborne hätte zunächst sämtliche Rechtsmittel der Berufung in Alaska ausschöpfen müssen. Des weiteren begründe die Rechtsstaatlichkeits-Klausel in der Verfassung keinen eigenständigen Anspruch für Angeklagte auf Anforderung von DNA-Untersuchungen.

Roberts zufolge haben DNA-Beweise durchaus große Veränderungen im Strafjustizwesen zur Folge. Es sei jedoch die Frage, ob weitere Neuregelungen in erster Linie aufgrund von juristischer Überprüfung und Auslegung des derzeitigen Systems zustande kommen werden, oder ob die Justiz auf Bundesebene vorauseilen müsse - also das System zu überprüfen (und ggf. zu verwerfen), indem man ein neues verfassungsrechtliches Instrument schaffe und auch die Verantwortung für dessen Weiterentwicklung übernehme.

Darüber hinaus ermahnte er die Bundesgerichte, sie sollen den Bundesstaaten die Möglichkeit geben, sich mit technischen Innovationen auseinanderzusetzen. 'Die Bundesgerichte sollten nicht davon ausgehen, dass die Vorgehensweise in bundesstaatlichen Strafprozessen nicht dafür ausreichen, mit technischen Neuerungen umzugehen.'

Alaska ist einer der wenigen Bundesstaaten, in denen es kein juristisches Regelwerk für DNA-Untersuchungen nach einer Verurteilung gibt. Dem Innocence Project, das Fälle neu untersucht, bei denen DNA-Beweise eine Rolle spielten, ist in Alaska kein Häftling bekannt, dem das Justizwesen ermöglicht hätte, DNA-Untersuchungen anzufordern.

Peter Neufeld vom Innocence Project sagte, die Entscheidung des Gerichts sei enttäuschend, da sie 'irrtümlich behauptet, dass Alaska durchaus über angemessene Verfahren für DNA-Untersuchungen nach einem Urteil verfüge'. Die Entscheidung wird zwar nicht allzu sehr ins Gewicht fallen, da in den meisten Bundesstaaten bereits Zugang zu diesen Tests gewährt werde, sie wirke sich jedoch verheerend für Häftlinge in Staaten ohne solche Gesetze aus.

'Die meisten Personen, die DNA-Untersuchungen zur Beweisführung ihrer Unschuld benötigen, betrifft die heutige Entscheidung nicht; die kleine Anzahl der davon Betroffenen könnte jedoch stark darunter zu leiden haben. Aufgrund dieses Urteils werden noch mehr Unschuldige im Gefängnis schmachten, und einige werden dort vielleicht auch sterben, da man ihnen verwehrt, ihre Unschuld zu beweisen', sagte Neufeld.

Dem Innocence Project zufolge verfügen insgesamt 47 Bundesstaaten, der District of Columbia sowie der Kongress über Gesetze, die den Zugang zu DNA-Untersuchungen nach einer Verurteilung ermöglichen. Auf Bundesebene wurde diesbezüglich 2004 ein Gesetz verabschiedet.

Neufeld sagte, seine Organisation werde sich mehr denn je dafür einsetzen, dass Alaska, Massachusetts und Oklahoma Regelungen für DNA-Untersuchungen erlassen. Auch trete man für Verbesserung der Gesetze in Alabama und Kentucky ein, wo derartige Untersuchungen lediglich in Kapitalstrafsachen zulässig seien, sowie in Pennsylvania, das sie nur für Häftlinge genehmigt, die vor 1995 verurteilt wurden.

USA-weit wurden 240 Personen aufgrund von DNA-Untersuchungen nachträglich freigesprochen, so das Innocence Project. Sie haben durchschnittlich 12 Jahre in Haft verbracht und hätten sich in einzelnen Fällen sogar eines Verbrechens schuldig bekannt, das sie gar nicht begangen hatten.

Initiative gegen die Todesstrafe e.V. | www.initiative-gegen-die-todesstrafe.de

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